Vertrags-„Kultur“ – Erfolgsrezept im Auslandsgeschäft

Rechtssichere Verträge sollten grundsätzlich die Basis für alle Geschäfte, auch – oder sogar erst recht – für solche mit Auslandsbezug sein. Von diesem Grundsatz kann es aber Ausnahmen geben. So etwa bei Verträgen mit Vertragsparteien aus sogenannten „beziehungsorientierten Kulturen“.

Die Schlau & Berger GmbH will japanische Unternehmen auf der Grundlage von Rahmenverträgen langfristig an sich binden und ihnen auf der Grundlage einer dauerhaften Geschäftsbeziehung ihre Datenverarbeitungsmaschinen verkaufen. Ihre Anwaltskanzlei hat hierfür bis ins letzte Detail ausgefeilte rechtssichere Verträge entworfen. Einige potenzielle japanische Käufer wollen dagegen diverse Punkte wegen zukünftiger technischer Entwicklungen zunächst einmal bewusst offenlassen, aber vertraglich festlegen, dass diese im Geiste der Ehrlichkeit und des Vertrauens erörtert werden. Soll sich das deutsche Unternehmen darauf einlassen?

„When in Rome, do as the Romans do.“ – Oder: Interkulturelle Kompetenz kann der Schlüssel zum Erfolg im internationalen Geschäft sein. Bei grenzüberschreitenden Geschäften stellt die Kultur anderer Länder einen wesentlichen Aspekt dar, der von größerer Bedeutung ist, als es der westlichen Welt häufig bewusst ist. Werden die individuellen Kulturen der Vertragsparteien nicht gebührend berücksichtigt, kann dies leicht zu dem Fehlschlagen von Geschäften führen. Über die Konzeption und Abwicklung von Verträgen hinaus zielt die Vertrags-„Kultur“ auf die Beziehungsebene der Vertragsparteien ab. Ihr Ausgangspunkt ist es, dass kulturelle Unterschiede gewürdigt werden, um den Geschäftserfolg zu sichern. Was bedeutet dieser Ansatz nun für deutsche Unternehmen mit ihrer stark abschlussorientierten Kultur für die Vertragsgestaltung mit Vertragsparteien aus beziehungsorientierten Kulturen wie etwa denen des Fernen Ostens?

Vertragsgestaltung

Fast regelmäßig bedienen sich Vertragsparteien bei internationalen Geschäften der englischen Sprache. Nicht selten werden darüber hinaus auch die Struktur und „standardisierte Klauselwerke“, die ihren Ursprung im anglo-amerikanischen Rechtskreis haben, übernommen, auch wenn dies nach der gewählten Rechtsordnung nicht unbedingt immer zielführend sein mag. Dies führt dazu, dass Verträge äußerst detailliert alle auch nur denkbaren Fallkonstellationen erfassen. Eine Folge des nicht umfassend kodifizierten, sondern auf Präzedenzfällen aufbauenden common law. Nach deutschem Recht wäre eine solche Regelungsdichte nicht erforderlich. Es ist jedoch fast schon Standard, mit dem Vertragswerk ein eigenes Rechtsfolgensystem zu schaffen.

So ist es bei abschlussorientierten Kulturen wie der deutschen selbstverständlicher Ausgangspunkt, einen vorgefertigten Vertragsentwurf als Verhandlungsgrundlage für einen Vertragsabschluss vorzulegen und diesen Punkt für Punkt zu verhandeln. Bei etwaigen späteren Konfliktsituationen wird dann streng auf den Wortlaut des Vertrags abgestellt. Daher werden sie auch in Schriftform verfasst, enthalten üblicherweise eine Schriftformklausel für Vertragsänderungen und die Bestätigung, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen seien, sowie einen Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das ist auch grundsätzlich gut so, wenn sich Vertragsparteien aus demselben oder vergleichbaren Kulturkreisen gegenüberstehen.

Aus der Sicht beziehungsorientierter Kulturen, wie sie etwa im ostasiatischen Raum zu finden sind, geht der Vertragsschluss jedoch mit der Begründung einer menschlichen Beziehung einher. Er symbolisiert gegenseitiges Vertrauen und begründet den Ausgangspunkt einer langfristigen Verbindung. Von dem Standpunkt solcher Kulturen ist es nur folgerichtig, dass einzelne Punkte des Vertrags offen gestaltet werden sollen, um sie gegebenenfalls sich wandelnden Rahmenbedingungen flexibel anpassen zu können. Das kann dazu führen, dass sogar erhebliche Vertragsanpassungen gewünscht werden. Langfristige, für beide Seiten zufriedenstellende Geschäftsbeziehungen sind aber das Ziel. Was bedeutet das nun für deutsche Unternehmen? Werden gute Geschäfte mit Vertragsparteien aus beziehungsorientierten Kulturen angestrebt, muss man sich von dem alten Rechtsgrundsatz verabschieden, dass Verträge zu halten seien. Eine schwere Vorstellung aus unserer Sicht, wenn beide Seiten aber von derselben Denkweise ausgehen, ist es eine Abwägung im Einzelfall.

Klaus Vorpeil