Warenzusammenstellung und ihre Tarifierung

Generell sind Stammdaten das A und O für eine ordnungsgemäße Abwicklung von Zoll- und Außenwirtschaftsprozessen. Die Warennummer oder Zolltarifnummer ist dabei sicherlich die relevanteste Angabe. 

Zur Ermittlung der richtigen Tarifposition müssen zahlreiche und teilweise komplexe Regeln beachtet werden. Mit die wichtigsten, sind die Allgemeinen Vorschriften (AV) die auch am Anfang des Regelwerks aufgeführt sind.

Sobald Waren aus verschiedenen Stoffen bestehen oder Waren aus mehreren verschiedenen Waren zusammengestellt sind, hilft die AV 3. 

AV 3a

Die Nummer mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Nummern mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Nummern, von denen sich jede nur auf einen Teil der Stoffe einer gemischten oder zusammengesetzten Ware, oder nur auf einen Teil der Artikel im Falle von für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellungen bezieht, sind jedoch im Hinblick auf diese Ware oder diesen Artikel als gleich genau zu betrachten, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung aufweist.

Prinzipiell hat also die Position mit der genaueren Warenbezeichnung Vorrang vor Positionen mit allgemeinen Warenbezeichnungen hat und wenn eine Ware aus mehreren Teilen besteht, sind alle als gleich zu betrachten.

Waren die sich aus mehreren eigenständigen Waren zusammensetzen, im Handeln auch oft als Sets, Sortimente oder Zusammenstellung bezeichnet, findet man recht häufig. Sobald nun eine Ware mehrere zolltariflich eigenständige Positionen hat, hilft einem AV 3a nicht wirklich weiter, da diese Waren als gleich genau betrachtet werden, auch wenn eine Position eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

In dem Fall geht man der Systematik des Zolltarifs folgend zu AV 3b als nächste Vorschrift. 

AV 3b  

Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, deren Einreihung nicht nach der Vorschrift 3a) erfolgen kann, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, sofern dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

Vereinfacht gesagt kann diese Vorschrift für folgende Fallkonstellationen angewandt werden:

  1. Mischungen
  2. Waren, die aus verschiedenen Stoffen bestehen
  3. Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sind
  4. Für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen (Sets, Kits)

Speziell den 4. Punkt, „Für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen (Sets, Kits)“ wollen wir uns einmal näher anschauen.

Wie werden zolltarifliche Warenzusammenstellung eigentlich definiert?

Bei Warenzusammenstellungen handelt es sich um Waren, die

  1. aus mindestens 2 verschiedenen Waren bestehen, für deren Einreihung unterschiedliche Positionen in Betracht kommen und
  2. zur Befriedigung eines speziellen Bedarfs oder zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zusammengestellt wurden und
  3. so aufgemacht sind, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Verbraucher eignen.

Das Problematische ist, dass die Vorgabe der AV 3b „werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht“ auf einen unbestimmten Rechtsbegriff, der rechtlich nicht definiert ist oder anders ausgedrückt eine subjektive Beurteilung abstellt. Beispielsweise kann auf die stoffliche Zusammensetzung, das Gewicht, den Wert, die Funktion oder die Menge abgestellt werden. Wobei das entscheidende Kriterium je nach Art der Ware variieren kann. 

Beispiele

Gewürzmischung aus 10 gr Zimt, 10 gr. Kardamom und 5 gr Safran 

  • Safran wäre trotz des kleineren Gewichts aufgrund des Wertes charakterbestimmend

Gewürzmischung aus 50 gr Zimt, 50 gr. Chili und 100 gr Paprika 

  • Paprika wäre aufgrund des  Gewichts charakterbestimmend

Ausschlusstatbestände für AV 3

Für Warenzusammenstellungen, die namentlich im Tarif genannt sind, wie  beispielsweise

6308 00 00 — Warenzusammenstellungen, aus Geweben und Garn, […] in Aufmachungen für den Einzelverkauf

9503 00 70 — anderes Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen für den Einzelverkauf

gelten die Ausführungen der AV 3 nicht, sie werden direkt diesen Positionen zugewiesen.

Weiterhin gibt es Abschnitts oder Kapitel bezogene Bestimmungen wie , z. B.: 

  • Anmerkung 3 zu Abschnitt VI; 
  • Anmerkung 1 zu Abschnitt VII; 
  • Anmerkung 14 zu Abschnitt XI; 
  • Anmerkungen 3 und 7 zu Kapitel 61 
  • Anmerkungen 3 und 6 zu Kapitel 62

die eine Anwendung der AV3 zur Findung der richtigen Tarifierung für eine Warenzusammenstellung ausschliessen.

Hilfreich sind auch die Leitlinien der EU Kommission  zur Einreihung von für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellungen in die Kombinierte Nomenklatur (2013/C 105/01)

Diese Leitlinien helfen auch bei der Auslegung der Begriffe Befriedigung eines speziellen Bedarfs oder zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit.

Es ist dabei egal ob die Waren in einer bestimmten Reihenfolge (z. B. bei einer Zusammenstellung von verschiedenen Pflegeprodukten) oder in beliebiger Reihenfolge (Zusammenstellung von Bohrern, Schrauben und Dübeln) verwendet werden.

Kein Kriterium ist auch, ob die Waren an ein und demselben Ort verwendet werden. Ein aus einer Strandtasche, einem Badetuch und einer Frisbeescheibe  bestehendes „Strandset ist z.B. keine Warenzusammenstellung i.S.d. Tarifs. 

Auch die Tatsache dass Waren nur für eine bestimmte Personengruppe bestimmt sind, definiert dies nicht als Warenzusammenstellung (z.B. Werkzeugkiste für Installateure)

Ähnliches bei Zusammenstellungen für Lebensmittel. Zutaten die zur Zubereitung eines bestimmten Gerichts bestimmt sind (z.B. Nudeln, Tomatensauce, Gewürzmischung und Käse für „Miracoli“00000000000) werden als Warenzusammenstellung gesehen. Aufgrund der Mengenverhältnisse wären hier die Nudeln das charakterbestimmende Produkt. 

Ein Geschenkkorb mit Nudeln, Wein, Wurst, Schokolade und Keksen wäre aber aufgrund des fehlenden gemeinsamen Verwendungszweck keine tarifliche Warenzusammenstellung.

Ein Renovierungs- oder Heimwerkerpaket, bestehend aus Waren zum Entfernen von Tapeten und zum Streichen wie Farbpinsel, Zimmermannsbleistifte, Farbrollen, Spezialmesser, Schaber, Spachtel, Bandmaß, Spannungsprüfer, Farbwanne wäre als zolltarifliche Warenzusammenstellung zu sehen, da die Waren dem gemeinsamen Zweck der „Wandrenovierung dienen.

Im Gegensatz dazu wäre ein sogenanntes „Haushaltsset“ mit verschiedenen Stahlnägel, diverse Schraubhaken und Ösen aus Stahl, Bilderhaken, Bodenträger aus Kunststoff, Gummiringe, Reißnägel, Schlüsselringe mit Kunststoffanhänger, Büroklammern, Dübel, sowie Unterlegscheiben keine zolltarifliche Warenzusammenstellung, da hier wird kein konkreter gemeinsamer Anwendungszweck gesehen wird.

Verwendungsfremde Beigaben

Bei einem „Badeset“, das aus Duschgel, Seife, Körperlotion und Hausschuhen besteht, würden die Hausschuhe den gemeinsamen Verwendungszweck (Baden) zunichtemachen und alle Produkte müssten einzeln tarifiert werden. 

Würde das vorgenannte „Badeset“ aber aus Duschgel, Seife, Körperlotion und einem Teelicht bestehen, wäre das Teelicht in diesem Fall zwar nicht einem gemeinsamen Verwendungszweck zuzuordnen, würde aber aufgrund des geringen Wertes, trotzdem noch eine zolltarifliche Warenzusammenstellung ermöglichen.

Zusammenfassend gesagt blockieren solche anwendungsfremden Beigaben die Definition als Warenzusammenstellung nicht, wenn folgende 4 Punkte gesamthaft vorliegen 

  1. Die Ware ist lediglich ein nebensächliches/unbedeutendes Element in der gesamten Warenzusammenstellung,, 
  2. sie ändert das Wesen der Warenzusammenstellung nicht,
  3. der Wert der Ware ist im Vergleich zum Gesamtwert der Waren in der Warenzusammenstellung zu vernachlässigen
  4. die Ware selbst hat i. d. R. nur einen geringen/unbedeutenden praktischen Nutzen oder ist nur eingeschränkt verwendbar (sie kann z. B. nur einmal verwendet werden oder ist nur begrenzt halt

Diese Auslegung  kann in Einzelfällen auch zur Anwendung gelangen, wenn eine „Hauptware“ zusammen mit einer Ware mit geringem Wert angeboten wird, z. B. eine Packung Cornflakes wird ein kleiner Überraschungsartikel mit geringem Wert beigelegt, z.B. eine Spielzeugfigur aus Kunststoff oder Sticker. Es wäre somit immer noch eine Einreihung als zolltarifliche Warenzusammenstellung möglich.

„Aufmachung zum Einzelverkauf“

Das 3. Hauptkriterium „so aufgemacht sind, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Verbraucher eignen“ lässt nicht viel Interpretationsspielraum.

Es sind 3 relative klare Punkte die wiederum kumulativ zu erfüllen sind

  1. Alle Bestandteile der „Warenzusammenstellung“ müssen gleichzeitig gestellt werden und in derselben Anmeldung enthalten sein. 
  2. Alle Bestandteile müssen in derselben Verpackung angeboten werden, z. B. einem Tragebehältnis, einem Kunststoffbeutel, einer Schachtel oder einem Netz, oder (verpackt oder unverpackt) zusammengebunden sein, beispielsweise mit faserverstärktem Klebeband.
  3. Alle Bestandteile müssen so aufgemacht sein, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Verbraucher eignen

Allerdings gibt es von dieser Grundregel 2 Ausnahmen.  

  1. Warenzusammenstellungen werden in getrennten Paketen angeboten, wenn es durch die Zusammensetzung der Waren (wie Größe, Gewicht, Form oder chemische Zusammensetzung) oder aus transporttechnischen oder Sicherheitsgründen nicht anders möglich ist und die Waren eignen sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Verbraucher
  2. wenn die Waren aufgrund ihrer Aufmachung eindeutig als zusammengehörig erkennbar sind, z. B.:
    1. wenn die Pakete eindeutig zusammengehören (erkennbar an Nummerierung, Bildern, Handelsbezeichnung usw.) oder
    1. wenn in den Dokumenten angegeben ist, dass sich die betreffenden Waren in getrennten Paketen befinden, aber zusammengehören

Warenzusammenstellung ja, aber kein charakterbestimmendes Merkmal

Auch hier, hilft die Systematik des Tarifrechts. Mit der nächstfolgenden Regel AV 3c werden diese Fälle geregelt

AV 3c: 

Ist eine Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3a und 3b nicht möglich, wird die Ware in die Position eingereiht, die von den gleichermaßen möglichen Positionen als letztes im Warenverzeichnis genannt wird. 

Das heißt, kann bei einer Warenzusammenstellung kein Bestandteil ermittelt werden, der der Zusammenstellung den wesentlichen Charakter verleiht, so ist die Ware, der in der Nummernfolge des Tarifs zuletzt genannten in Betracht kommenden Nummer zuzuweisen.

Beispiel; Reiseset im Plastikbeutel

Kamm             9615

Seife               3401

Spiegel           7009

Lappen           6302

Kein Charakterbestimmendes Merkmal, also Set unter  > 9615

Handelsrechtlicher Ursprung

Zur Bestimmung des handelsrechtlichen Ursprungs einer zolltariflichen Warenzusammenstellungen wird der Ursprung des charakterbestimmende Bestandteils der Zusammenstellung herangezogen 

Präferenzielle Betrachtung von Warenzusammenstellungen 

Wenn alle Bestandteile präferenzielle Ursprungserzeugnisse sind, ist die gesamte  Zusammenstellung natürlich ebenfalls präferenzberechtigt. 15% ist die Toleranzgrenze bei nichtpräferenziellen Bestandteilen. Wenn also der wertmäßige Nichtursprungsanteil über 15% der Zusammenstellung liegt, ist die gesamte Warenzusammenstellung nicht präferenzberechtigt. Umschließungen, die wie das Erzeugnis eingereiht werden, sind bei der Berechnung mit zu berücksichtigen.

Beispiel: Reiseset, Ab-Werk Preis 5,20 €

Kamm             9615                0,60 €             DE mit LLE

Seife               3401                0,45 €             ID

Spiegel           7009                0,80 €             DE Eigenproduktion

Lappen           6302                0,25 €             CN

Plastiktüte       3923                0,05 €             FR o. LLE

Warenzusammenstellung?    ja,  > 9615

Präferenzberechtigt?             Ja, da durch Gesamtbetrachtungsweise Herstellungsprozess in der EU und Anteil der NUE mit 0,75 € < als 15% von 5,20 €